12/28/2008

Die Bahn

Einer der großen Vorteile, mit dem Studentenleben abgeschlossen zu haben, ist, dass man nicht mehr zwingend auf die Bahn angewiesen ist. So bekam ich vorgestern fast ein nostalgisches Gefühl, als das Hosenkonzert anstand und wir beschlossen, doch einfach mit der Bahn hinzufahren, weil die Hosen so freundlich waren, ihrem Konzertticket ein valides RMV-Ticket beizufügen, das einen auch noch direkt vor die Haustür der Festhalle brachte. Also nahmen wir den Zug.

Die Hinfahrt verlief wunderbar. Aber auf der Rückfahrt wurde ich mal wieder schmerzlich daran erinnert, warum ich Bahnfahren hasse. (Nein, der Zug war pünktlich, warum fragen Sie?) Wir stiegen in den letzten Zug aus Frankfurt und bekamen sogar Sitzplätze. Aber wie es die Viererabteile in voll besetzten Zügen so mit sich bringen, kann man nicht immer ganz unter sich bleiben. Neben mir zum Beispiel saß Marc (möglicherweise auch Mark). Marc war Punk, 15 oder 16, und redete ohne Unterlass. Nicht mit mir oder sonst wem, der bei uns saß, sondern mit seinen Punkkollegen, die sich im Gang drängelten. Denn Marc war mit seiner Clique auf dem Weg nach Berlin, das Wochenendticket nützen.

Im Grunde hörte Marc keiner zu, was insofern problematisch war, dass er einfach lauter und lauter redete - und ich leider zwischen ihm und seinen Adressaten saß. Hatte ich beim Konzert kein Problem gehabt, drohte mir nun ein akuter Tinitus. Aber man will ja nicht immer motzen, also mental die Ohren zugeklappt und versucht, einfach nicht zuzuhören.

Leider waren weder Marc noch seine Kollegen besonders helle. Genau genommen, wären sie noch dümmer gewesen, man hätte sie gießen müssen. Versuchen Sie mal, wegzuhören, wenn ihr Nachbar lautstark jeden Gedanken an rationales Denken durch den Fleischwolf dreht. Gut, alles nicht schlimm. Bis einer von Marcs Kollegen ihm dann doch Aufmerksamkeit widmete und sich vom Gang reinbeugte, um mit Marc irgendwas über die Vorteile von Mayonaise auf Toastbrot auszudiskutieren. Der Kollege kletterte auf die Lehne meines Stuhls, Speichel und ein ziemlich übler Geruch schlugen mir entgegen, und Marc und sein Kollege schrien sich an, während mir die Nieten der Jacke von Marcs Kollegen an der Backe scheuerten.

Ich schubste Marcs Kollegen zurück in den Gang und warnte ihn, sich nochmal über mich zu beugen. Sowohl Marc als auch sein Kollege reagierten relativ eingeschüchtert, jedoch verständnislos.

Dann musste Marc aufs Klo. Nachdem er das lautstark geäußert hatte, schloss er seine Bedenken an, dass es in dem Abteil kein Klo gäbe. Bevor ich ihm widersprechen konnte, monologisierte Marc eine Idee: Er hätte ja ne halb volle Bierflasche in der Hand, die möglicherweise Platz genug böte. "Will vorher noch jemand trinken?" Marc stand auf und begann an seinem Reißverschluss zu nesteln. Ich packte ihn an seiner Jacke und zog ihn zurück in seinen Sitz. Ich klärte ihn darüber auf, was ich mit ihm tun würde, wenn er jetzt in seine Flasche pisst. Völlig verständnislos ließ Marc immerhin von seinem Vorhaben ab und beschloss, bei der nächsten Station schnell mal zur Tür raus zu pinkeln. Die nächste Station kam, Marc ging zur Zugtür. Es klappte nicht. Völlig entnervt kam Marc zurück, eine Hand in seiner schmutziggrauen Unterhose. "Das war viel zu kurz ey! Jetzt muss ich ihn zuhalten bis zur nächsten Station. Woah ey, das presst!" Ich schloss die Augen und ging an meinen Happy Place.

Die nächste Station war unsere. Ich stand noch vor Marc auf. Als wir den Bahnhof verließen, konnte ich nicht anders als zu denken: "Jetzt ist es passiert. Ich gehöre zum Establishment."

11/20/2008

Novelty

Immer mehr Menschen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis versuchen sich in letzter Zeit als Autoren – Grund genug, das auch mal zu probieren. Leider hat es keiner meiner vielen Romane über die ersten drei Sätze hinaus geschafft. Und dabei habe ich doch alle Genres durchprobiert. Nun, damit nicht alles vergebens war, habe ich beschlossen, die Romananfänge trotzdem zu veröffentlichen.

Genre 1: Spannung
Dan richtete die Taschenlampe auf den Fluchtpunkt des düsteren Gewölbetunnels. Der Lichtstrahl verlor sich in der Dunkelheit wie seine Gedanken sich im Chaos jüngst zurückliegender Ereignisse verloren. Er war auf ein Geheimnis gestoßen, so unfassbar, so unerhört, so wahnsinnig provokativ, so durch und durch rampensaumäßig, dass der Vatikan, das wusste Dan, alles tun würde, um ihn zum Schweigen zu bringen. Und wenn er ihm einen Albinokillermönch hinterherschicken müsste. Dabei hatte alles so harmlos begonnen, als vor einigen Tagen sein alter Freund, der geheimnisumwitterte Museumskurator...

Genre 2: Krimi
„Ich habe euch alle heute zusammengerufen, um reinen Tisch zu machen.“ Er räusperte sich. „Bella – ich betrüge dich seit Jahren mit deiner besten Freundin Margret. Margret – ich betrüge dich seit einiger Zeit mit deinem Mann Fred. Fred – du bist gefeuert. Tante Maynard – das mit deiner Katze war kein Unfall. Nun gut. Ich verstehe, dass ihr mich nun hasst. Manch einer würde sagen, jeder einzelne von euch hätte nun ein handfestes Motiv mich umzubringen. Jedoch... Oh - was ist das? Stromausfall? Man sieht ja die Hand vor Augen nicht mehr.“

Genre 3: Dystopische Sci-Fi
All die arroganten Atheisten guckten verdammt dumm aus der Wäsche, als am 23. Juni des Jahres 2012 ein fliegendes Spaghetti-Monster etwa zwei Drittel der Erde vernichtete. Die Überlebenden rotteten sich in den zerstörten Städten zu Clans zusammen und versuchten....

Genre 4: Drama
Amber-Lynn war verzweifelt. Die in ihr hochbrandenden Gefühle lähmten sie, ließen sie vergehen in unbändigem Hass, bedingungsloser Liebe und abgrundtiefer Verzweiflung, und wäre ihr Körper eine Kanone gewesen, sie hätte ihr Herz auf Kyle geschossen, der ihr alles genommen hatte, ihren unbändigen Hass, ihre bedingungslose Liebe, ihre abgrundtiefe...

Genre 5: Fantasy
Es war eine dunkle und stürmische Nacht. Kull hatte sich schon zu lange schutzlos durch Regen und Schlamm gekämpft. Er war müde, durchgefroren, völlig entkräftet. Doch er durfte nicht aufgeben. Nicht jetzt, da er dem bösartigen Troll, der sein Dorf dem Erdboden gleichgemacht hatte, und den er seither mit unnachgiebigem Rachedurst verfolgte, so nahe war. Diese Nacht würde...

Genre 6: Historischer Roman
Sein Urgroßvater hatte die Kathedrale vollenden wollen, sein Großvater und auch sein Vater. Keinem von ihnen war es vergönnt gewesen. Doch er, der Sohn der stolzen Baumeister, war noch da, und sein Lebenswerk sollte gleichsam das seiner ganzen Linie zu einem ehrfurchteinflößenden Ende führen. Doch da war auch noch sein anderes Erbe. Die andere Linie. Seine Mutter, die Päpstin.

Genre 7: Horror
„Der Wagen springt nicht mehr an.“ Carlos fluchte. „Wir haben keine Wahl, nicht bei diesem Wetter, wir müssen Schutz suchen in diesem runtergekommenen Haus da hinten.“ Sheila fröstelte. „Ich weiß nicht. Ich weiß einfach nicht. Carlos, bitte, ich fühle mich unwohl, wenn ich das Haus nur ansehe. Weißt Du noch, was die Wahrsagerin auf Coney Island gesagt hat?“ „Ach komm schon Liebes“, sagte Carlos und nahm sie lächelnd in den Arm, „wer glaubt denn schon an diesen Hokuspokus? Pass auf, ich frag nur eben schnell, ob ich mal telefonieren kann.“

Genre 8: Deutscher Literaturpreis
Geraden, die sich kreuzen, und doch ins Unendliche führen. Schnorchel. Uhu. Wes Leid ist grüner? Dein? Mein? Lamento. Mein Name ist Urban, aber ich heiße Bounty. Tütensuppe – Igelbürste --- Indifferenzaspekte! - n´est-ce pas?

10/27/2008

Gespenster Geschichten - Die Rückkehr

Vor zweieinhalb Jahren musste ich leider an dieser Stelle vom Ende der legendären, supertrashigen, pädagogisch und politisch völlig unkorrekten Groschenheftchencomicserie "Gespenster Geschichten" vom Bastei Verlag berichten. Da sich der Bastei-Verlag aber nun scheinbar gänzlich aus dem Comicgeschäft zurückgezogen hat und damit wohl so einige Copyrights freiwurden, sind sie nun, ja wirklich, zurückgekehrt! Die Gespenster Geschichten sind wieder da! Herausgegeben vom Tigerpress Verlag, der unlängst auch versuchte, Fix & Foxi wiederzubeleben. Heute sprang mir das neue Gespenster-Geschichten-Heft am Tankenkiosk entgegen, als ich nach der Bild Süddeutschen suchte. Ich griff natürlich zu. Grund genug für eine Rezension. 

Wie schaut´s denn aus?
Zunächst mal fällt auf, dass das ganze Heftkonzept auf wunderbar sinnlose Weise aktualisiert wurde - d.h. alles wie früher, aber greller und grüner. Das fängt schon beim Cover an - Sonnenbrille auf - bitteschön:
Und hier noch mal zum Vergleich das Original: 

Darüber hinaus sind jetzt auch die Gutters zwischen den Panels knallbunt und es gibt einen unvermeidlichen, lausig recherchierten Magazinteil. Aber das ist ja auch wurscht. Hauptsache, die Geschichten sind wie früher. Und das sind sie - Es sind nämlich dieselben! Genau dieselben. Leidlich umgetextete Nachdrucke, um genau zu sein.

Boah... das ist ja voll schäbig.
Ja, das ist es. Aber hey - die ganze Reihe war schon vom Konzept her schäbig, das macht(e) ja gerade ihren Charme aus. Und da die Geschichten sich sowieso inhaltlich immer nur wiederholten, konnte man sich schon damals eh nie ganz sicher sein, ob man die vorliegende Story nicht schon mal gelesen hatte. 

Und wie sind die Stories so?
Gott sei Dank haben sich durch das Konzept des Nachdruckens auch all die ultimativ-trashigen, unpädagogischen, grenzdebilen Inhalte, Dialogzeilen und Versatzstücke gehalten, die die Heftchen schon damals zum Kult machten. Ungebrochen rufen die Männer "Meiner Treu" und "Arrrgh", die Frauen "Ich werde ohnmächtig" und "Jiiiii", und nach wie vor steht am Anfang ein markiger Groschenromantitel und am Ende ein wohligwarme-nostalgisches "Seltsam? Aber so steht es geschrieben...." Das ist Trash As Trash Can, und da dürfen böse Dämonen schon mal Alwin heißen, ahnungslose Vollpfosten auf fast postmoderne Weise bei der Lektüre eines Gruselcomics dahingerafft werden und Männer Dinge sagen wie "Die Frauen sind doch alle gleich... im Grunde ihres Herzens käuflich". Aber das beste ist eigentlich das Hörspiel.

Das Hörspiel? 
Ja, es liegt tatsächlich jeder Ausgabe eine Hörspiel CD bei, und zwar eine extra für das Comic produzierte Reihe namens "Malcolm Max". Darin geht es um einen unerschrockenen Dämonenjäger namens, nun, Malcolm Max, der für einen Geheimbund, nun, Dämonen jagt. Dabei hilft ihm eine umwerfend schöne Halbvampirin namens Charisma, aber da das ein Hörspiel ist, ist das mit dem "umwerfend schön" natürlich Vertrauenssache. Jedenfalls ist dieses Hörspiel so schlecht produziert und von der Geschichte her so absolut, unglaublich und allumfassend dämlich, dass es schon jetzt zu den geilsten Audiobooks gehört, die ich je, nun, gehört habe. 

Kurz gesagt: Absolute Kaufempfehlung. Das alles ist so geschmacklos, billig und verdorben, dass es man es bedenkenlos auch den Kleinsten in die Hand drücken kann. Ich meine - Hat´s mir etwa geschadet?

Ist das ne ernst gemeinte Frage?
Ja. Nee. Egal, jedenfalls: Kaufen und Spaß haben. 

5/11/2008

Völlig bekloppte Songtexte, Folge 1

Der mp3-Adapter ist kaputt, im Radio läuft die übliche Fahrstuhlmusik, und als ich an einer roten Ampel halte, mache ich plötzlich den Fehler, bewusst auf den Text zu achten.

If I had eyes in the back of my head

I would have told you that
You looked good
As I walked away

Echt schwer zu glauben, mit was man auf Englisch so alles durchkommt.

5/01/2008

Ü30

Dieser Tage war ich auf meiner ersten Ü30-Party. Aufmerksame Rechner und längerfristige Leser dieses Blogs werden festgestellt haben, dass ich damit eigentlich schon wieder zu spät dran bin - aber ich habe mich längere Zeit vor diesem Schritt gedrückt. Nun aber war es endlich soweit, und ich schloss mich einigen Kollegen, wenn auch mit gemischen Gefühlen, an. Die Party fand in einer größeren Sporthalle der angrenzenden Ortsgemeinde statt und, um das gleich vorwegzunehmen, es war alles genauso, wie man es sich vorstellt. (Ich nehme an man muss hier nochmal differenzieren zwischen metropolischen Ü30-Parties und solchen in eher dörflichem Kontext, so wie unsere, die von der Burschenschaft "Einigkeit" veranstaltet wurde.) Und trotzdem war es irgendwie gute Unterhaltung. Man steckt halt so drin, und fällt sehr schnell in frühpostpubertäre Verhaltensweisen zurück, allerdings aus anderen Gründen als früher.

Einige Beispiele. Man beginnt sofort nach Betreten der Location, sich von selbiger abgeklärt-ironisch zu distanzieren. Allerdings nicht, wie früher, um zu demonstrieren, dass man nun wirklich cooleres gewohnt ist, sondern um zu zeigen, dass man mehr so zum Spaß hier ist, und nicht etwa weil man sich als Angehöriger der Zielgruppe fühlt. Nicht, dass das stimmen würde, denn man ist ja nicht als Lifestylejournalist vor Ort, sondern als Partygast, der sehr wohl um die alternativen Angebote dieses Abends wußte und dennoch dieses wählte. Ein weiteres Beispiel: Man lehnt sehr lange an der Wand, ohne zu tanzen. Allerdings nicht, wie früher, weil man sich nicht so recht traut loszulegen, sondern, weil es einem schlicht unmöglich ist, zu dem 90er Eurodance Trash auch nur einen Finger zu bewegen, ohne sich sehr, sehr merkwürdig zu fühlen. Und sicherlich auch, weil man mit der gleichen morbide-hypnotischen Faszination, die einen bei Horrorfilm-Metzeleien oder Unfallszenen am Straßenrand nicht wegsehen lässt, die bereits ausgelassen tanzenden Thirtysomethings anstarren muss, die sich spontan zu einstudierten Saturday-Night-Formationstänzen zusammenfinden. Der DJ hat nur ein Gerät und lässt es sich nicht nehmen, nach jedem Track abzubrechen und den nächsten anzumoderieren.

Aber: Das bringt man alles hinter sich, und das Musikproblem behebt sich, wie auf jeder öffentlichen Party, auf magische Weise gegen Mitternacht, in diesem Fall durch ein völlig unvermittelt einsetzendes "Highway To Hell" von AC/DC. Bis dahin hatte man dann auch schon zwei, drei Bier (denn, ebenfalls wie ganz früher, man muss sich ja an was festhalten, während man am Rand steht) und irgendwie hat man plötzlich Spaß. Und ja, es ist wirklich ganz angenehm, nicht von Teenies umgeben zu sein. Und, verdammt noch mal, es war ja nicht alles nur Golden Years, man hatte ja nun wirklich auch Probleme damals. Ja, genau. GENAU! Und ab geht die Luzie. Was sich dann einstellt, kann man nur beschreiben als der "Ballermann-Effekt": Die Freude am Prollen. "Tainted Love", ja super! Meine Begleitung fängt an, irgendwie ironisch zu pogen (T-Rex) und ich bin mittendrin. Gerne. Und auf einmal sind noch drei Stunden rum. Geiler Abend! Wieso? Wayne interessierts! Jetzt wird´s aber langsam Zeit zu geh´n, wird ja schon hell! - Jaaa, stimmt! - Hey lasst uns aber die Tage mal wieder "richtig" weggehn. - Jaaa, aber mit guter Musik *zwinkerzwinker*.

4/29/2008

Consumer Special Ops

Vor vielen (vielen, vielen) Jahren habe ich an einem PoWi-Projekt an meiner Schule teilgenommen. Die Aufgabenstellung war, ein Produkt zu erfinden. Also Marktanalysen durchführen, Kundenbedürfnisse antizipieren und einen bisher nicht dagewesenen Artikel zur Sublimierung ebendieser samt Werbekonzept vorstellen. Meine Idee war damals: "Bier-Chips". Weil die Menschen, so meine Argumentation, sowohl Bier als auch Chips meistens gleichzeitig zu sich nehmen, weshalb durch eine Kombination beider Produkte eine Geld- und Zeitersparnis erreicht werden könne. Sowohl mein Team als auch mein Projektleiter verwarfen die Idee sofort. An den genauen Wortlaut kann ich mich zwar nach all den (vielen, vielen) Jahren nicht mehr erinnern, aber es ging so in Richtung "zu eklig", "völlig geschmacklos", "wer soll DAS denn kaufen" und "da würden nicht mal Amis zugreifen". Heute Mittag nun (viele, viele Jahre später) schlendere ich so durch den Rewe und bleibe vor einem Sonderregal stehen:
IN YOUR FACE!!

Vermutlich bin ich meiner Zeit einfach voraus. Denken Sie an meine Worte, wenn Sie die erste Generation Wholemeal-Smoothies im Frischeregal stehen sehen, Typ Spaghetti Carbonara, Königsberger Klopse und Schnitzel Hawaii.

3/29/2008

Mein neuer Anzug

Seit Jahren habe ich mich in Cordhosen und grenzwertig akzeptablen Sportsakkos auf Familienfesten, Hochzeiten und anderen Festivitäten herumgedrückt. Doch diesmal war es soweit - so konnte es nicht weitergehen - ich brauchte einen Anzug! Grund genug für einen Erlebnisbericht.

Als erstes sollte ich erwähnen, dass ich mich dieser Herausforderung nicht alleine gestellt habe, sondern die wahrscheinlich beste Einkaufsassistentin Deutschlands, Kirstin, um Hilfe bat, die selbige auch großzügig gewährte. Also ging es dann heute los in ein großes mittelhessisches Einkaufszentrum. Zuerst natürlich zu Peek und Cloppenburg. Der dortige Verkäufer/Berater war hochgradig kompetent (auch wenn ich das Gefühl nicht loswerde, dass er mich begrabscht hat) und stellte mich ziemlich schnell vor vollendete Tatsachen: Mein merkwürdiger Körper lässt nur "Baukastensystem" zu. Zuerst habe ich gelernt, dass es Größen für normale und Größen für "Kleinere/Pygmische" gibt, und zwar im 50er und im 20er Bereich. Die Formel dafür lautet "50er : 2", was ich irgendwie diskriminierend finde, aber ich denke mal, als Pygmäe muss man nehmen, was man kriegt. Es kamen mehrere Anzüge für mich in Frage, aber so richtig überzeugend fand ich zunächst keinen. Obwohl der PC-Mann erklärte, die wahrscheinlich beste Auswahl vor Ort zu haben, und jovial hinzufügte: "Unsere Artikel passen für die lustigsten und traurigsten Stunden". Jedenfalls ließ ich mal den Anzug, der mir am ehesten zusagte, zurücklegen und wir zogen weiter. Zu St. Oliver. (Wieso heißt es eigentlich "St. Oliver"? Ist das ein Heiliger? Oder heißt es gar nicht so und ich hab´s mir falsch gemerkt?). Bei St. Oliver gab es einen Verkäufer und eine Verkäuferin. Der Verkäufer hatte ein umgedrehtes Mc-Donalds-M auf dem T-Shirt, unter dem stand: "Masturbate - I´m lovin´ it". Ich entschied mich für die Verkäuferin. Die stand mir auch mit Rat und Tat zur Seite, aber den perfekten Anzug fand natürlich Kirstin. Bloß: Die Hosen.
-"Die müssen gekürzt werden, sind so ´nen Tick zu lang."
-"Machen Sie das hier?
-"Nur wenn Sie eine St-Oliver-Kundenkarte haben."
-"Tuts auch eine von Peek und Cloppenburg?" [Nicht dass ich die hatte.]
-"Nein, leider nicht."
Wir also weiter. Kurz bei Esprit reingeschaut, war aber nix. Nach einigen weiteren Zwischenstationen entschied ich mich dann für den Oliver-Anzug, den ich demnächst dann noch mal kurz zum Schneider bringen muss, wegen den Hosen.

Aber das war ja noch nicht alles. Schuhe mussten her. Wir gingen in einen Schuhladen gegenüber von PC, Fink oder Roland oder irgendsoeiner. Schöne Schuhe waren schnell gefunden, allein, sie passten nicht.
-"Entschuldigung, gibt es diese Schuhe auch breiter?"
-"Das ist schon die "Komfort-Weite", tut mir leid."
Also nicht nur pygmisch, sondern auch noch Klumpfüße. Toll. Schließlich fand sich dann ein Paar, nachdem mir die Verkäuferin optimistisch zusicherte, dass "die Spanner sie ja auch noch weiten würden".

Die Krawatte. Eigentlich habe ich schon eine, eine superpraktische Teflonkrawatte von Tchibo, von der man alles abwaschen kann. Die hatte ich damals gekauft, weil ich eine merkwürdige Neigung habe, Krawatten, die ich trage, unwillkürlich ins Essen zu hängen. Aber die ist dunkelgrau, und da schon der Anzug dunkel war, wollte ich was farbiges. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, mir irgendwas cartooniges zuzulegen. Aber dann dachte ich: "Wenn schon seriös, dann richtig", und zurück ging´s zu PC. Riesenauswahl. Mein Favorit war dann tatsächlich rosa. (Ja, sorry, aber ihr hättet sie sehen sollen. Cooles Teil.) Leider war die von BOSS und sehr teuer, und da ich mich schon mit dem Anzug ziemlich verausgabt hatte, fiel die Wahl auf Krawatte B, No Name mit orangen Streifen. Ich mag orange. Der prozentual höchste Anteil meiner T-Shirts und Pullis ist schließlich orange.

Das Hemd war schnell gefunden, es sollte weiß sein und bügelfrei, also alles in allem nicht so schwer. Etwas verblüfft hat mich, wie eng das Hemd am Hals war, wenn man den obersten Knopf zumacht, aber sowohl Kirstin als auch die sehr sympathische Verkäuferin erklärten mir, dass es OK ist, solange noch ein Finger reinpasst. Um ihre Position zu untermauern, steckte mir die Verkäuferin ihren Finger auch gleich mal in den Kragen.

So fehlten nur noch Gürtel und schwarze Socken, und da ich einen einigermaßen schönen Gürtel für 19,90 fand, ließ ich es dann bei den Socken noch mal richtig krachen und kaufte keinen 3er-Pack, sondern ein einzelnes Paar für wie ich finde etwas zuviel Geld. (Bescheuert eigentlich, schließlich hängt ja die Hose drüber.)

Aber jetzt hab ich einen richtigen Anzug. Und seh aus wie eine Million Dollar! Grund genug für ein Emoticon. :-)

1/27/2008

Gedanken in einer hessischen Wahlkabine

Immer wenn ich wählen gehe freue ich mich ein bisschen auf den Wahlzettel und wer es diesmal so alles drauf geschafft hat. Diesmal ganz großes Tennis bei der Zweitstimmen-Spalte: Die Violetten - die Partei für eine spirituelle Politik. Kurz bin ich versucht, ihnen mein Kreuzchen zu schenken - wär schließlich bestimmt alles superharmonisch in Hessen, wenn ein paar neopaganische Singlefrauen mit Klangschalen und Gaea-Buttons das Ruder übernähmen und gegen stereotypische Vourteile (z.B. ihnen gegenüber) vorgingen. Vielleicht könnten sie sogar durch einen schamanischen Reinigungszauber das Bundesland vom Bösen säubern, das sich gerade, nur sehr unüberzeugend als Mensch getarnt, in Gestalt von Roland Koch anschickt für immer das "C" in "CDU" der Lächerlichkeit preizugeben. Oder sollte ich das Kreuz doch lieber der Piratenpartei geben? Von der kenne ich so gar nichts außer ihrem Internetauftritt, aber der Name ist cool und das Parteiprogramm ist in dreißig Sekunden zu überfliegen und klingt ok. Aber man soll ja keine Miniparteien wählen, das hört man ja allenthalben, jede Proteststimme ist eine Stimme für die Partei die man nicht will. Meine Gedanken schweifen ab... überall hört man das, aber macht das mathematisch Sinn...? Nein, kann ich jetzt nicht durchdenken, die Leute warten ja darauf, dass ich die Wahlkabine wieder frei mache. Also doch eine der großen Parteien. Aber welche. CDU? Ich denke daran, wie Roland Koch mir seit Tagen bei jedem Login auf web.de aus einem Pop-Up entgegengrinst und mich um meine Stimme für seine mutigen Ansichten bittet und mein Magen krampft sich mal wieder zu einer kleinen, wütenden Kugel zusammen. CDU, ja klar. Was dann? SPD? Hm. Meine Gedanken schweifen wieder ab. Das kann doch gar nicht sein, dass noch keiner vom Ypsilanti-Werbeteam auf die Idee gekommen ist, irgendwie einen Gag in Richtung "Yps mit Gimmick" in die Wahlwerbung aufzunehmen! Der Gedanke ist doch so naheliegend! Yps mit Gimmick! Stattdessen: Y-geformter Christbaumschmuck. Bescheuert. Die Schlange vor der Kabine wird länger, ich muss mich wieder auf meine Aufgabe konzentrieren. SPD. Macht das Sinn? Kann ich das verantworten? Manches was diese Frau erzählt (und manches an dieser Frau) geht mir ja ziemlich auf den Zeiger. FDP? Ne, war nur Spaß. Jetzt mal im Ernst: Die Grünen vielleicht? Scheiße, ich hätte mich besser informieren müssen. Über die Grünen weiß ich z.Z. fast nichts, von den Kandidaten ganz zu schweigen. "Scheiße"...Meine Gedanken schweifen ab... könnte noch irgend ne Beleidigung in Fäkalsprache in den NPD-Kreis kritzeln. Ach nee, liest ja von denen keiner und der Zettel wird dann auch ungültig. Ob Roland Koch schon mal bei Doris Zutt einkaufen war? Die Schlange wird länger, ich muss mich wieder auf meine Aufgabe konzentrieren. Die LINKE. Im Prinzip eine Partei netter kleiner Leute, leider blind gegenüber den berechnenden populistischen Realitätsnegierern an der Spitze. Scheidet also aus. Vielleicht... oh -- sechs durch, der Wahllokalhelfer bittet mich, mich zu beeilen. Ich gerate in Panik und mache meine Kreuzchen bei
 
Terror Alert Level