12/19/2005

Originalschlange

Wie wir alle wissen, haben die Menschen, zumindest zwei davon, mal im Paradies gelebt, bis Eva sich den falschen Apfel gepflückt hat. Sie tat das, weil die Schlange sie dazu verführt hatte. Auf zahllosen Abbildungen zu dieser Geschichte, z.B. in Kinderbibeln, sind bösartig zischelnde Boa Constrictors zu sehen, die sich um einen Ast am Baum der Erkenntnis geschlungen haben und verhalten lächeln. Als ich gestern wieder mal so ein Bild sah, ist mir etwas aufgefallen. In der Genesis steht, dass Gott die Schlange zur Strafe verflucht: „Auf deinem Bauch sollst du kriechen und Erde essen dein Leben lang.“ Das heisst: Schlangen wurden erst nach dieser Sache das, was wir heute als Schlangen kennen. Wie immer die Schlangen früher ausgesehen haben, auch die, die Eva verführte, sie hatten auf jeden Fall Beine. Die Abbildungen zu dieser Geschichte müssen also revidiert werden. Hier ein Vorschlag:

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12/01/2005

Psychic Lenin 2

Kürzlich saß ich wieder mal abends zu Hause am Rechner und arbeitete an meiner Anfang 2006 erscheinenden Abhandlung über die quantenmechanischen Wechselwirkungen zwischen Schroedingers Katze und Schmidts Hund, als ich plötzlich Geräusche von Schritten aus der Küche hörte. Das war an sich nichts ungewöhnliches, da Elvis, seit er sich in meiner Wohnung versteckte, die Zimmerschlüssel hatte und kam und ging wann er wollte (versuchen Sie mal, dem King Of Rock´n´Roll was auszureden). Das verstörende jedoch war, dass ich die Küche von meiner Position aus einsehen konnte, und da war niemand, absolut niemand zu sehen. (Niemand außer Salman Rushdie, der sich aus Furcht vor islamischen Fundamentalisten derzeit in kyrogenischem Schlaf in meinem transparenten Corona-Kühlschrank befindet; und der rührt sich ja nicht.) Ich nahm mir ein Herz und stand auf. Die Schrittgeräusche verstummten unwillkürlich, aber ich spürte mit jeder Faser meines Körpers, dass ich nicht länger alleine in der Wohnung war. Zögernd betrat ich die Küche. Es duftete nach Apfelkuchen. Na toll, dachte ich. Lenin ist wieder da.

11/30/2005

Unmut

Bei Meldungen, die Deutschland bewegen, holen einschlägige Blätter und TV Magazine auch gerne mal unterstützend die Meinung des „einfachen Mannes von der Straße ein“, den sie dann bitten, sich kurz zu der Sachlage zu äußern. Dann fügt man eine Sammlung von empörten Mini-Statements der eigentlichen Nachricht an. Das wird besonders gern so gehandhabt, wenn die eigentliche Meldung schon ein paar Tage alt ist und nicht mehr allzuviel hergibt. Diese Statements entbehren oftmals nicht einer gewissen Komik. Selten haben sie mich aber so weggeblasen wie bei den aktuellen Stimmen zum "Schnee-Schock-Katastrophen-Gebiet" dass nun bereits 5 Tage ohne Strom ist. So ärgert sich Michael Jaisle (33) über die ungerechte Stromverteilung in Deutschland:
"Ich habe einen totalen Hals auf die Leute, die jetzt in ihren Schaufenstern die Weihnachtsbeleuchtung an haben. Wir frieren zu Hause, und die machen so eine Festbeleuchtung. So langsam reißt uns der Geduldsfaden."
Autohändler Günther Willbrand (43) schimpft:
"Unverständlich, dass diese Masten einfach so wegbrechen."
Und dann ist da noch Eva Erhardt (51):
"Ich musste meinen Kühlschrank ausmisten. Alles verdorben. Ich mußte Lebensmittel für 300 Euro wegwerfen."
Und eine anonyme Stimme aus dem angrenzenden Gebiet:
"Wir kochen jetzt extra nur mit einer Herdplatte, um das Netz nicht zu überlasten."

11/29/2005

Gegendarstellung

In der zuletzt veröffentlichten Ausgabe der leidlich komischen Reihe "Die Liste der Woche" hat le blog du ron fälschlicherweise behauptet, Edmund Stoiber wäre in einem früheren Leben Bauchtänzerin am Hofe des Kalifen gewesen. Hierzu stellen wir fest: Herr Stoiber war in keinem früheren Leben Bauchtänzerin am Hofe des Kalifen. Er war der Rhetoriktrainer von Cäsar.
-Adolf Kleinschmitt, Pressesprecher der CSU

11/28/2005

Streifzug durch den Zaubergarten menschlichen Auswurfs

Ich bin zur Zeit ziemlich erkältet. Es ist wirklich interessant, sich mal die Zeit zu nehmen und die verschiedenen Stadien körperlichen Auswurfs zu beobachten. Es beginnt ja immer mit sehr klarem Fließschnupfen. Der heisst so, weil er sehr dünnflüssig ist und nicht stockt. Da kann man sich eigentlich gleich ein Tempo unter die Nase binden, oder, wie ich, zwei Tampons in die Nasenlöcher stecken und gelegentlich auswringen. In der Regel ändert sich dann die Konsistenz des Nasensekrets nach den ersten 24 Stunden, so dass man am zweiten Tag von „stockendem“ Schnupfen reden kann. Die Nasenschleimhäute sind nun so stark geschwollen, dass das Sekret am Abfluss gehindert wird und sich langsam verdickt. Dabei kann es zu den verschiedensten Konsistenzstadien kommen, die sich aber relativ problemlos am aufgefalteten, benutzten Tempo nachvollziehen lassen. Die anfängliche Transparenz ist jetzt abgelöst durch einen satten beigefarbenen Ton, der, je nach Konsistenz, auch mal bis ins grünliche verschoben werden kann, und nicht selten kleine Bröckchen fester Substanz aufweist, die zuvor bereits am Naseneingang zu verkrusten begonnen hatten. Manchmal kann es in diesem Stadium helfen, das Sekret nicht durch die Nasenlöcher auszustoßen, sondern direkt aus den Nebenhöhlen in den Rachen zu ziehen und zu schlucken. Dabei verfängt sich natürlich immer eine gewisse Restmenge am Gaumenzäpfchen. Klingt der Stockschnupfen schließlich ab, ist der Infekt in der Regel zu den Bronchien gewandert (ab dem 3.-4. Tag) und hat zu Schleimbildung geführt. Dieser Schleim kann wiederum die verschiedensten Erscheinungsformen annehmen, die sich, beim Abhusten, teils am Geschmack, immer aber am äußeren Erscheinungsbild unterscheiden lassen. Im Zweifelsfall ist es hier praktisch, erst mal mit offenem Mund in die Handfläche zu husten. Bronchialschleim unterscheidet sich in der Faserigkeit und in der häufigeren Verschienbung hin zum gelblichen bzw., bei trockener Luft, bräunlichen, von Sekret der nasalen Schleimhäute. Geschmacklich korrespondieren jedoch beide mit einer Verschiebung zum süßlichen hin, analog zur Zunahme der Zähflüssigkeit. Es sei denn, es ist Blut dabei.

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11/27/2005

Psychic Lenin

Im Museum für den sowjetischen Staatsgründer Lenin (1870-1924), das sich in dessen ehemaliger Wohnung in Samara an der Wolga befindet, hat es laut dem pragmatischen Personal vor kurzem angefangen zu spuken. Ein Geist geht um, und obwohl es niemand explizit ausspricht, ist doch allen ziemlich klar, dass nur einer hinter der ektoplasmischen Präsenz stecken kann: Lenin persönlich. Museumsdirektorin Maja Obraszowa sagte der Agentur Interfax, dass immer wieder rätselhafte Geräusche von Schritten zu hören seien. "Einmal fanden wir morgens ein benutztes Bett in Lenins Zimmer vor, obwohl nachts die Tür verschlossen war", beteuert sie. Das verstörendste aber: Im ganzen Museum "riecht es manchmal nach frischem Apfelkuchen, der Leibspeise Lenins." Schockieren tut das allerdings weder sie noch ihr Personal: "In jedem alten Haus sollte es Gespenster geben. Wir sind mit unseren befreundet und fürchten sie nicht." Lenins Körper liegt schon seit 1924 einbalsamiert in dem Mausoleum auf dem Roten Platz in Moskau. Möglich, dass ihn das in letzter Zeit ein bisschen nervt.

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10/16/2005

Der Himmel fällt uns auf den Kopf

Seit dem 14.10. gibt es einen neuen Asterix-Band: „Gallien in Gefahr“. Der Band wurde mit der üblichen Geheimhaltung produziert und entsprechend gespannt erwartet. Jetzt ist er erschienen, und natürlich hab ich ihn mir sofort bei Minimal gezogen. Doch ihn zu lesen, hat mich dann doch ziemlich verstört. Für diesen Comic kann es nur eine Erklärung geben: Uderzo hat eine Wette verloren. Wenn Miraculix in Asterix #33 sagt: "Nein, Asterix! Das muss ein Albtraum sein!", dann beschreibt das die gesamte Geschichte absolut passend.

Asterix bekommt es nämlich diesmal weder mit Römern, noch mit Normannen, Goten, Schweizern oder Syrern zu tun, sondern mit Außerirdischen.

Doch.

Abgesandte einer Föderation friedlicher Planeten landen im gallischen Dorf und interessieren sich für den Zaubertrank. Kurz darauf geben sich auch deren Erzfeinde ein Stelldichein: Sprechende Kakerlaken in Raketenschiffen. Und dann sind da noch die „Superklone“, im seltsam vertrauten blauen Dress mit rotem Cape. Es gibt auch eine waschechte Weltraumschiff-Schlacht, in die Obelix später mit einem zielsicher geworfenen Hinkelstein eingreift. Auf Seite 38 ist die Geschichte dann vorbei, aber da der Band blöderweise 48 Seiten haben muss, kommt es noch zu einer Aneinanderreihung vollkommen sinn- und zusammenhangloser Szenen, die in sehr, sehr großen Panels gestaltet werden – Uderzo musste das Heft halt noch irgendwie vollkriegen – bis dann am Ende alle das Gedächtnis verlieren und das traditionelle Bankett abhalten.


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Was hat sich Uderzo dabei bloß gedacht? Goscinny, der inzwischen verstorbene Texter von Asterix, würde sich im Grabe rumdrehen, wenn er wüßte, was sein ehemaliger Partner da für einen Brainfunk verbrochen hat. Das hier ist der mit Abstand mieseste Asterix aller Zeiten, so richtig zum Kaufen und dann Ungelesen-Ins-Regal-Stellen. Weil man halt Komplettist ist. Oder auch nicht.

9/28/2005

Arcor

Zu Arcor gewechselt. Internet geht nicht. Die Hotline angerufen.

"Guten Tag, ich habe seit gestern DSL bei Arcor, kann mich aber nicht einwählen."
"Ich überprüfe das... ja... ich seh schon... die Probleme könnten damit zusammenhängen, dass die Dämpfung der Leitungen in ihrem Wohngebiet zu hoch ist."
"Wie, zu hoch?"
"Richtwert ist 46, Sie haben 49."
"Und dann geht das nicht?"
"Doch, normal schon... aber da es in Ihrem System ja offenbar einen Fehler gibt..."
"Moment mal, soll das heißen, dass DSL hier möglicherweise gar nicht möglich ist?"
"Im schlimmsten Fall wäre das denkbar."
"Aber... aber Sie können mir doch nicht einfach ihr Produkt verkaufen, mich einen Vetrag unterschreiben lassen, und dann sagen, dass es leider nicht funktionieren wird!"
"Da bin ich jetzt auch ratlos. Ich geb ne Störungsmeldung raus."
"Ja und wann erfahr ich da was?"
"Wenn sie wieder anrufen, morgen Abend."
"Ich soll also nochmal 30 Minuten in der Warteschleife hängen und dann 24c die Minute dafür bezahlen, dass SIE mir erklären, was SIE falsch gemacht haben??"
"Ich fürchte, ja, ein Rückruf ist leider nicht möglich."
"Das kann doch wohl nicht sein!!!"
"Leider doch, es tut mir leid."
"Tollen Laden habt ihr da Jungs!"
"Ja. Gut. Ach noch was, leuchtet die Power-Anzeige an ihrem Modem?"
"An der Starterbox, ja."
"Nein, an ihrem Modem."
"...nein."
"Aber es ist doch an den Strom angeschlossen oder?"
"..."
"Hallo?"
"Ich... ich überprüfe das. Auf Wiederhörn."

8/17/2005

Blankets

Wer oder was ist „Blankets“?
Ein Comic, den ich gerade auf Empfehlung zweier Freunde hin gelesen habe und der mich einfach umgehauen hat. Wobei „Comic“ es nicht trifft, es ist viel mehr – und so nennt der Autor/Zeichner Craig Thompson es auch – ein „illustrierter Roman“.
Ein was?
Ein illustrierter Roman. Stellt euch einfach einen „normalen“ Roman vor und ersetzt einen Großteil des Textes durch Bilder. Dann habt ihr eine grobe Vorstellung, was Thompson da formal und inhaltlich produziert hat.
Um was geht´s da eigentlich?
Vordergründig ist die stark autobiographisch gefärbte Geschichte eine Nacherzählung der ersten großen Liebe des Autors. Eigentlich ist es aber eine Geschichte über das Erwachsenwerden, den Abschied von der Kindheit, das Leben als Prozess und über die alte Frage, was die Existenz eines Menschen eigentlich ausmacht. Auf einer dritten Ebene schließlich ist es ein Roman, der Erinnerung selbst thematisiert – Was ist Erinnerung, wo liegt die Grenze zwischen „vergangen“ und „gegenwärtig“ und inwiefern macht sie uns als Mensch und als Individuum zu dem was wir sind?
OK, ich meinte jetzt aber einfach nur den Inhalt?
OK, der Inhalt: Es ist die Zeit, in der Nirvana und Alice In Chains noch vollzählig am Leben sind. Craig wächst in einem amerikanischen, streng fundamentalistischen Elternhaus auf. Er ist ein Außenseiter, den nur zwei Dinge am Leben halten: Der Glaube an den Himmel, in dem er ein lebenswertes Dasein zu finden hofft, und das Zeichnen. Dann aber lernt er in einem Feriencamp Raina kennen, in die er sich verliebt, und die er schon sehr bald für 14 Tage besuchen fährt. Nach diesen zwei Wochen wird nichts mehr so sein wie zuvor, denn in der nicht unproblematischen Beziehung zur Raina und deren Ende legt er die Ketten ab, die ihn banden. Craig ist erwachsen geworden, und obwohl diese Entwicklung viele Kehrseiten hatte – Einsamkeit, Glaubensverlust und die Erkenntnis über die Endlichkeit aller Dinge – hat er zu sich selbst gefunden.
Und warum sollte mir das gefallen?
Weil du dich darin wiedererkennen wirst. Mir ist rätselhaft, wie Thompson das gemacht hat, aber in seinen – im übrigen wunderschönen und symbolisch fast schon überladenen – Bildern, in den Texten, Dialogen und Situationen, die er schafft, spiegelt man sich wider. So öffnet sich ein Tor in die eigene Vergangenheit und man geht mit Craig auf diese Reise zu den Wurzeln des Menschen, der man heute ist. Alleine die Schilderung von Craigs erster Liebe, die ein Aha-Erlebnis nach dem anderen auslöst, und die den größten Teil des Buches einnimmt, besteht aus einer Aneinandereihung von Situationen, die nicht nur jeder schon einmal so erlebt hat, sondern die auch jeden entscheidend geprägt haben. Nicht selten wird die erzählte Geschichte hier zu einer absoluten Form der Poesie, weil durch die Fusion von Text, Bild, und eigenem Input – und nicht zuletzt durch die Einbeziehung aller, auch der intimsten, Details - ein Verständnis für die Figuren und eine Betroffenheit ausgelöst wird, als würde man tatsächlich Craig (oder Raina) werden. Um es kurz zu machen, wenn man dieses Buch fertig gelesen hat, kann man es zwar wieder weglegen, aber es lässt einen definitiv nicht mehr los – und vielleicht hat man etwas neues über sich gelernt.
Tja und jetzt?
Es ist mir echt ein Anliegen, dass jeder, der grade nichts besseres zu tun hat, dieser „graphic novel“ eine Chance gibt und aus erster Hand erlebt, wie dieser Comic die bisher gedachten Grenzen literarischer Erfahrung sprengt. Besorgt ihn euch, im Comicladen, oder auch ganz unkompliziert bei Amazon. Er ist ein bisschen teurer, aber jeden Cent wert (und zählt immerhin 600 Seiten).

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8/11/2005

Und dann drehte er durch

Medienprofi Eddie Stoiber hat sich mal wieder einen geleistet. O-Ton: "Ich akzeptiere nicht, dass erneut der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird. Es darf nicht sein, dass die Frustrierten über das Schicksal Deutschlands bestimmen." Das alleine ist ja eigentlich schon lustig genug. Lustig und verblüffend, weil es eigentlich nicht nachvollziehbar ist, wie jemand mitten im Wahlkampf ein dermaßen undurchdachtes und - nennen wir´s beim Namen - rumpeldummes Statement in die Welt schleudern kann. Der Osten Deutschlands hat schließlich entscheidende Auswirkungen auf das Ergebnis jeder großen Wahl - sowohl durch die dort lebenden Menschen als auch durch gelegentlich auftretende Hochwasser.

Aber damit nicht genug. Während CSU- Generalsekretär Markus Söder noch panisch den Karren aus dem Dreck zu ziehen versucht und die These aufstellt, Stoiber habe die Spitzenkandidaten der Linkspartei, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, mit den "Frustrierten" gemeint, und nicht die Menschen im Osten, setzt Stoiber noch einen drauf: Der nämlich sagte nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks auf einer Wahlkampfveranstaltung in Schwandorf wenig später, er wolle nicht, dass die Wahl noch einmal im Osten entschieden werde. Wenn es überall so wäre wie in Bayern, so der Ministerpräsident, dann gäbe es keine Probleme. "Wir haben leider nicht überall so kluge Bevölkerungsteile wie in Bayern", so Stoiber.

Und während Angela sich noch ungläubig die Tränensäcke blutig reibt, verliert die CDU mal eben auch noch ihren allerletzten Wähler jenseits der gedachten Mauer.

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7/18/2005

Trau keinem über 30

Wie die meisten wissen, bin ich vor kurzem 29 geworden. Damit befinde ich mich nun im psychologisch gesehen dritt-undankbarsten Lebensjahr (nach 30 und 40). Hier nun ein Erfahrungsbericht für alle, denen diese Lebensphase bevorsteht, die mitten drin stecken, oder mit dem Gedanken spielen, dafür zu sorgen, dass es nie soweit kommt.

Alles was sie euch erzählen, ist wahr. Es ist ein ätzendes Alter. Die Auswirkungen stellen sich subtil, aber unaufhaltsam ein:

Zunächst ist da natürlich der unvermeidliche Nostalgieschub. Je mehr man feststellt, dass diese jungen Leute von heute wesentliche, ja definierende Stützpfeiler der eigenen Jugend nicht mal mehr kennen – z.B. Hörspielcasetten, Yps mit Gimmick oder Slimey – um so besessener beginnt man selbst wieder, sich diesen Dingen zu widmen. Da kann´s dann schon mal passieren, dass man sich bei Ebay eine Mastersfigur ersteigert, die irgendwie immer in der Sammlung gefehlt hat, die man doch jetzt, nach 20 Jahren, eigentlich langsam mal vervollständigen könnte. (Die nagende Stimme der Rationalität flüstert einem dann ins Ohr „Was zum Geier willst du eigentlich damit“, wird aber mit einem zielsicheren Schlag in den Solarplexus durch Battle Armor He-Mans Schwingfaust zum Schweigen gebracht.)

Gleichzeitig bemerkt man eines Tages das erste graue Haar. Hat man es erst mal bemerkt, ist es unmöglich, es je wieder zu übersehen – in etwa der selbe Effekt, der einen beim Texas Kettensägen Massaker wider besseres Wissen unverwandt und merkwürdig fasziniert hinsehen lässt – und richtig gelitten hat man, wenn es ausgerechnet in der Augenbraue sprießt. Überhaupt geht´s körperlich bergab. Man wird fetter und kurzatmiger, und das hat natürlich überhaupt nichts damit zu tun, dass man zu fettig isst und zu viel raucht, nein, das Alter ist schuld!

Aus den Augenwinkeln, gerade so am Rande des Blickfelds, nimmt man die ersten Werbeplakate für Ü 30 Parties wahr und fragt sich, wie es so weit kommen konnte. Und auf den Parties, auf denen man ist, geschieht es immer häufiger, dass sich Anwesende spontan in nostalgischen Revival-Grüppchen zusammenfinden, weil aus der Anlage The Unknown Stuntman tönt, und die nächsten zwei Stunden verbringt man dann mit Gesprächen darüber, wie cool Jodie immer in der Saloontür stand, und dass Howie nicht trotz, sondern gerade wegen dem Deppen-Faktor so cool war. Dabei durchströmt einen ein unerklärliches, wohliges Gefühl, wie damals, Samstag abends nach dem Baden, mit einer Schüssel Erdnussflips im Schoß, wenn man im Regionalprogramm Familie Feuerstein schaute und gleich Wetten Dass losgehen würde.

Zusätzlich erschwert wird das alles natürlich auch noch durch hämischen Spott sogenannter Freunde, die völlig haltlos behaupten, man würde sich da in etwas reinsteigern. Also bitte!!!

7/03/2005

Sin City

...heißt einer der genialsten Comics der Welt, der von Frank Miller geschaffen und unlängst von Robert Rodriguez verfilmt wurde. Für jeden, der die Vorlage kennt, wird sich aber in diesem Film ein faszinierendes Déjà-Vu ans nächste reihen. Denn was Rodriguez gemacht hat: Die Panels des Comics 1:1 in Filmbilder umgesetzt. Hierbei hat er nicht nur auf Perspektiven der Panels und Positionierung der Objekte, sondern auch auf die Verwendung von Licht und Schatten und die symbolische Verwendung der Primärfarben in dem ansonsen in s/w gehaltenen Comic geachtet. Die blonden Haare von Goldie. Die blauen Augen von Clive Owen und Alexis Bledel. Die gelbe Haut des Yellow Bastard. Das rote Blut. Das Ergebnis ist in jeder Hinsicht großartig und wegweisend:


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6/26/2005

Ode an Günter Netzer

Es ist Confederations-Cup-Zeit, die Zeit, in der das wichtigste unwichtige Fußballturnier aller Zeiten ausgetragen wird. Anlass genug für eine kleine Huldigug an meine Lieblingsmoderatoren Delling und Netzer. Den Günter mag eigentlich keiner so richtig, aber dafür hat man ihm ja den Schwiegermutter-Sympathieträger Delling zur Seite gestellt.

Wenn Günter Netzer ein Fußballspiel kommentiert, ist er selten begeistert, außer von sich selbst. Er und Delling haben als Grimmepreis gekröntes (!) Moderatorenduo eine klare Arbeitsteilung: Delling ist für die Vorlagen zuständig, Netzer verwandelt sicher. "Sehen Sie das genauso, Herr Netzer?" - "Nur wenn sie das auch so sehen, Herr Delling?"

Das Leben mag unvorhersehbar und verwirrend sein, aber eins verleiht ihm Konstanz: Netzer findet immer alles blöd. "Mir gefällt an diesem Spiel ungefähr gar nichts", lautete seine differenzierte Bewertung des Halbzeitstandes von 2:2 (Deutschland : Australien) - Deutschland war zuvor zwei Mal in Führung gegangen. Nach dem Sieg der deutschen Nationalmannschaft war Netzer dann ratlos. "Ich weiß nicht, was es ist. Heute hat mir kaum etwas gefallen."

"Das ist etwas, was ich schon sehr oft bemängelt habe“, so beginnt eine klassische Netzer-Phrase, die er beliebig fortsetzen kann. “Ballack ist selbst schuld. Overath und ich haben unsere Mitspieler zum Abgeben gezwungen." Delling kontert: „Im Zwingen waren sie schon immer gut.“ Netzer lässt so kleine Provokationen selten auf sich sitzen: "Sie werden mir immer ähnlicher, Herr Delling, an der Frisur sieht man´s ja auch schon."

Manchmal rutscht selbst Netzer so etwas wie ein Kompliment raus. Dann ist er meistens ein bisschen erschrocken. "Herr Netzer, das hört sich ja jetzt so an, als würden wir doch noch zusammenkommen." - "Machen Sie sich mal keine falschen Hoffnungen, Herr Delling."

Und wenn Netzer mal nichts zu sagen hat, dann sagt er eben nichts: Delling: "Und mehr haben Sie dazu nicht zu sagen?" - Netzer bleibt stumm.

Sie führen eine merkwürdige Beziehung, die beiden. Delling will Netzer das Du nicht anbieten, wie der Moderator der Münchner Abendzeitung sagte: "Das müsste schon er tun. Aber wenn Deutschland tatsächlich den Titel gewinnt, dann nehme ich es freudestrahlend an." Gleichzeitig war Netzer jedoch bereist Dellings Trauzeuge, als der im Mai 2003 seine Lebensgefährtin Isabelle Wagner heiratete.

Im September 2003 explodierte Rudi Völler vor laufenden Kameras, nachdem Netzer den „absoluten Tiefpunkt“ für erreicht erklärt hatte. Deutschland hatte nicht etwa verloren, sondern gegen Island 0:0 gespielt.

 Posted by Hello

5/26/2005

Oskar

Unser Kanzler spielte den Vorgang herunter: Er "als einfaches Parteimitglied" könne keine öffentlichen Ratschläge geben,wie mit einem "anderen einfachen Parteimitglied" umzugehen sei. Nach einer langen Zeit der Drohungen, populistischen Aktionen und zahllosen Talkshowauftritten (wenn auch meist im Dritten) stiftet Gerds ex-"bester Männerkumpel" endlich klare Verhältnisse. Natürlich im Fernsehen. Oskar Lafontaine lässt sich nach 39 Jahren von der SPD scheiden, nachdem man sich im letzten Jahr, wie es sich für eine ordentliche Scheidung gehört, eh nur noch Porzellan an den Kopf geschmissen hat.

Ungefragt eingereichte Kommentare der meisten deutschen Politiker offenbaren sowohl Erleichterung als auch ein beachtliches Defizit an pragmatischer Kompetenz: Schlägt die SPD-Spitze noch einen eher freundschaftlichen Ton an und bittet: "Oskar, geh jetzt", redet man eine Ebene tiefer auch schon mal vom "nützlichen Idioten von Frau Merkel" und vom "Steigbügelhalter eines eiskalten Neoliberalismus". "Ab sofort ist der Ex-Genosse von der Saar ein politischer Gegner", bedauern die Jusos erleichtert. Man zitiert gar Napoleons Außenminister Fürst Talleyrand, der im Kontext des Ablebens Napoleons "nur von einer Nachricht, keinem Ereignis" sprach. Und ein Ausschlussverfahren der Ex-Mutterpartei dräute dem Kaiser im saarländischen Exil ja sowieso schon am Horizont.

Mag sein, dass der Mann gewisse Auffälligkeiten in der Persönlichkeitsstruktur an den Tag legt. Aber ob er trotz oder gerade wegen all der Verniedlichungen, die man ihm entgegenschleudert nicht doch in der Lage ist, der Schlagseite fahrenden Ex-Mutterpartei noch mal mächtig Ärger zu machen, sollte man lieber erst mal abwarten, bevor man ihm den Möllemann macht. "Durchaus vorstellen könne er sich, bei einer neuen Linkspartei aus PDS und der in NRW mit 2,2 Prozent gescheiterten Wahlalternative (WASG) mitzumachen, teilte der Saarländer in Interviews mit" (web.de).
"Ich tue mich mit allen zusammen, die gegen die Heuschrecken kämpfen, die den deutschen Sozialstaat vertilgen", warb er im Magazin Cicero (und setzte dabei skrupellos Menschen mit Ungeziefer gleich; Michael Wolffsohn ist bereits informiert und wird sich Lafontaines annehmen, sobald er sein aktuelles Projekt, die Bannung eines Udo Jürgens Songs, in dem man - rückwärts abgespielt - die Worte "schwarz", "rot" und "gold" vernehmen kann, beendet hat.)

Lafontaine mag sich von politischer Objektivität und sozialer Kompetenz verabschiedet haben, aber je nach dem, mit was er die dabei freigewordenen Kapazitäten in seinem Kortex füllt, könnte es noch interessant werden.


 Posted by Hello

5/16/2005

Elegie

Star Trek ist tot. Den letzten Nachweis dieser im Grunde schon allgemeinhin bekannten Tatsache brachte das vorzeitige Ende der jüngsten Star Trek Serie "Enterprise", die bereits nach vier statt der geplanten 7 Jahre überraschend das zeitliche segnete. Captain Archer und seine Crew (die bezeichnenderweise kaum noch wer kannte) verabschieden sich im Mai zwar mit einem Paukenschlag, aber sie verabschieden sich. Zum ersten Mal seit 18 Jahren gibt es somit keine Star Trek Serie mehr. Und was noch viel gewichtiger ist: Es wird wohl auch keine mehr geben, denn - kein Mensch interessiert sich noch daür.

Was war geschehen?

Es muss so im fünften oder sechsten Jahr der vorletzten Serie, "Voyager", gewesen sein, als das Produktionsteam morgens ans Set kam und feststellte, dass das ganze Star Trek Franchise tot mit dem Bauch nach oben im Wasser schwamm. Die Voyager-Serie war wie über Nacht katastrophal schlecht geworden, die Quoten waren eingebrochen, und die Betonfrisur von Captain Kathryn Janeway saß auch nicht mehr. Doch alle Häme, eine Frau habe das Franchise gegen die Wand gefahren, kam verfrüht, denn wenn Captain Janeway Star Trek die Kniescheiben weggeschossen hatte, packten Archer und seine Crew es in den Rollstuhl und stubsten diesen über die Kante eines Cliffs. "Enterprise" - für die, die diese Serie schon gar nicht mehr wahrgenommen hatten - ordnete sich dem von Star Wars verhängtem Gruppenzwang unter und versuchte sich als "Prequel" (das hatte ja schon bei Episode One so wunderbar funktioniert), das die Zeit vor Captain Kirk und seinem Schiff beleuchten sollte. Doch weder konnte "Enterprise" den Charme der ersten Serie einfangen (in der Kirk und seine Mannen sich schon mal unerschrocken auf die Jagd nach Spocks Gehirn machten, das von Außerirdischen gestohlen worden war), noch die Seriösität der Next Generation (in der Picard schon mal eine geschlagene Stunde lang mit bösartigen Sternenflottencommandern diskutieren konnte, ob Androiden eine Seele haben). Letztlich entschied man sich deshalb, einfach alte Drehbücher neu aufzulegen. Und die Quoten brachen noch in der selben Woche ein.

Letztlich entscheidend für den Untergang war aber, dass Star Trek irgendwann zwischen Voyager und Enterprise seinen Coolness-Faktor verloren hatte. War die Premiere von "Star Trek VII" in 1996 noch ein genuines Sehen-Und-Gesehen-Werden, hat sich für "Star Trek X" (in dem trotz der weitverbreiteten Fehleinschätzung Data nicht stirbt, Sammy) kaum noch wer interessiert. Tatsächlich war es plötzlich - irgendwie - auf ganz subtile Weise - ein kleines bisschen uncool, ja Geek-haft, sich das anzusehen. Das Todesurteil für jedes Franchise.

1987 lief die erste Next Generation Folge im ZDF, ich war 11, auf dem Geburtstag von Jörn, und augenblicklich angefixt. Inzwischen, 18 Jahre später, habe ich wahrscheinlich alle 726 Folgen gesehen... und nun ist es vorbei. Vorbei mit dieser großartigen Serie über das Wesen des Menschen, Toleranz, Zivilisation, Ethik und kleine Außerirdische, die Spocks Gehirn klauen. Um es mit XavierNaidoo zu sagen: Ich bin einer der letzten, der um dich weint.
 
Terror Alert Level