Dieses Wochenende sollte ich also einen Erste-Hilfe-Kurs machen. Darauf bestand mein Arbeitgeber, denn der alte war schon viel zu lange her. Nämlich dreineinhalb Jahre. Drei wären ja ok gewesen, aber dreieinhalb, „da kann ich leider nichts machen, Herr...“. Nun gut, denke ich, immerhin wird dieser Kurs im Gegensatz zu dem letzten konkret an die Bedürfnisse meines Berufs angelehnt sein, so dass ich mich zumindest spezialisieren kann und die Zeit nicht völlig unnütz vergeude. Am ersten Kurstag jedoch kommt der etwas überforderte Kursleiter, Kumpeltyp, rein und fragt erst mal in die Runde, wer wir eigentlich seien. Moment, sage ich, ich denke der Kurs sei genau auf uns zugeschnitten. Ist er aber nicht, sorry.
Wirklich gerissen ist mir der Geduldsfaden aber, als der Kursleiter anfing, die Sache pädagogisch wertvoll aufzuziehen. Also anstatt „die Fakten vermitteln und fertig“ wählte er die Methode des freien Assoziierens und Erzählens von eigenen Erfahrungen, um diese dann nach ausführlichen Unterrichtsgesprächen auf seine Folien zu beziehen. OK. Das ist wahrscheinlich nicht mal falsch gewesen, aber an diesem Tag zu dieser Stunde dachte ich, ich drehe durch.
Natürlich war auch wieder das gesamte Personal, das einen echten Erste-Hilfe-Kurs konstituiert, vorhanden. Der kleine vorgebildete mit Brille, der unter Verwendung von Fachbegriffen die Kursinhalte zu erweitern versucht. Die kritische Jungintelektuelle, die alle 30 Minuten bestimmte Inhalte kritisch hinterfragt. Die klemmige, gemütliche Grundschullehrerin, die es so unfassbar witzig findet, eine Gummipuppe zu beatmen, dass sie vor lauter Lachen nicht mehr zum Luftholen kommt. Der Held, der schon diverse Menschen unter Einsatz seines Lebens aus tödlicher Gefahr rettete, und zwar in Situationen, in die er zufällig hineinstolperte und wo ein weniger heroischer Mensch vielleicht weggesehen hätte. Und natürlich der kleine Arsch, der sich all das ansieht und hinterher auf seinen Blog schreibt.
Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf.
Ausbilder: „Waren Sie schon mal in einer Ersthelfer-Situation?“
Held: „Ich habe einen Menschen, der sich das Leben nehmen wollte, im letzten Moment von den Gleisen gezogen.“ [anerkennende Blicke und zustimmendes Raunen der Kursteilnehmer]
Ich: „Ich habe mal gesehen, wie sich ein Selbstmörder umentschieden hatte und schnell von den Gleisen wegkommen wollte; da hab ich ihn festgebunden.“ [Stille. Unsichere Blicke der Kursteilnehmer, z.T. Abscheu]
Wieder ein Wochenende dahin, aber falls ich die Tage ein Unfallopfer im Graben finde, werde ich noch effizienter helfen können als zuvor. Auch wenn´s der Held ist.