12/19/2007

Thekla vom Supermarkt

Ich fand die Frau an der Kasse von diesem einen Supermarkt, wo ich nur einkaufe wenn ich wirklich gerade genau daran vorbeikomme, immer schon ein bisschen suspekt. Zunächst mal, weil sie immer da saß. Immer. Gut, das läge als Zufall statistisch gesehen noch im grünen Bereich, schließlich war ich die letzen 2 Jahre vielleicht zehn, zwöf Mal da gewesen. Aber es musste nicht Zufall sein. Suspekt fand ich auch immer schon, dass ich nie an der Kasse vorbeikam, ohne dass sie mich in ein Gespräch verwickelte. Selbst dieses eine Mal, als ich mit 43 Fieber und zähflüssigem Auswurf im Mundwinkel nur schnell irgendwas von Tetesept kaufen wollte. Sie machte das immer auf eine schwer zu beschreibende, hyperaktive Art mit einem schwer zu beschreibenden, irgendwie bedrohlichen Blick. Es war so beim siebten oder achten Einkauf, als ich bemerkte, dass ich ihr einen Namen gegeben hatte. Ich näherte mich so dem Band und dachte dabei: "Ah Thekla ist wieder da." Wieso Thekla? Ich bin nicht ganz sicher, ich glaube aber, dass sie mich an diese Spinne aus Biene Maja erinnerte. Nur ohne Kopftuch und mit weniger Beinen. (Oder was waren das für Ausbuchtungen unter ihrem Kittel? Suspekt, wie gesagt.)

Dieser Tage war ich dann mal wieder da, natürlich sie auch, und während ich meine Sachen aufs Band legte und im Geiste von 3 rückwärts zählte, sagte sie pünktlich zur 0:

Thekla: Heute esse ich bei Ihnen.
Ich [halte inne]: Wieso?
Thekla: Na weil Sie da die "Iglo Schatzkiste" gekauft haben, die find ich so putzig, da steh ich schon den ganzen Tag davor.
Ich: ...naja es sind ja eigentlich nur Fischstäbchen in anderen Formen.
Thekla: Aber so lustige Formen. So putzige Formen! Ein Anker, ein Seestern...
Ich: [murmele irgendwas]
Thekla: Obwohl die ja eigentlich für Kinder gemacht sind. Haben Sie Kinder? Sind Sie verheiratet?
Ich: Uhm...
Thekla: Oder sind Sie Single? Sie haben ja keinen Ring am Finger, ist mir schon letztens aufgefallen.
Ich: Ja... ja bin ich.
Thekla: Ja was denn?
Ich [nervös lachend]: Was Sie sagten. Habs voll eilig grade, tschuldigung. Schönen Tag noch. Bis wieder mal. Tschüssi!

Ich würde jetzt gerne schreiben, dass ich daraufhin losrannte, sie mit einem Geheimknopf die Ausgangstür blockierte, ich mit der Kraft der Panik und meiner Iglu Schatzkiste die Glasscheibe zertrümmerte und gerade noch, blutend, entkam. Auf jeden Fall spielte sich dieses Szenario kurz und erschreckend real in meinem Kopf ab. Aber erstens will ich den Fiction Marker nicht überstrapazieren und zweitens ist es auch so bizarr genug.

12/03/2007

Es trifft mehr als man denkt

Warum spielen die Leute Lotto, wenn der Jackpot eine Rekordmarke erreicht? Das gibt doch überhaupt keinen Sinn. Ich meine, wie soll ich mir das vorstellen: "Pff, 20 Millionen... brauch ich nich´.... hey, 43 Millionen... na gut, dann mach ich mal mit." Und mal ganz davon abgesehen bleiben ja auch noch die ganz gewöhnlichen abschreckend-veranschaulichenden Statistikbremsen: z.B. dass man entlang der Strecke Berlin-Stockholm lauter 1-Euro-Stücke aufreihen könnte und die Chance eines Lottogewinns dann (umgerechnet) darin bestünde, dieselbe Strecke abzufahren und zufällig genau auf der Höhe der richtigen Euro-Münze anzuhalten. Alles in allem sollte doch also eigentlich jeder Depp sehen, dass es wirklich überhaupt keinen Sinn macht, Lotto zu spielen.

Jedenfalls, ich also gestern zur Lotto-Annahmestelle. Musste mir zuerst kurz den Schein erklären lassen, weil ich zuletzt beim Rekordjackpot 2005 in Berlin gespielt hatte (Hey - Berlin, also da war ich ja schon voll nah dran damals). Der Lottomann erklärte mir dann also nochmal kurz die Regeln, die, das muss ich sagen, zumindest mir überraschend kompliziert vorkamen. Er gab mir dann gleich noch ein paar Tips, was ich auf gar keinen Fall machen dürfe, nämlich mein Geburtsdatum nehmen ("Wieso?" - "Na weil das viele Leute machen, aber keiner von denen im vierziger Raum Geburtstag haben kann." - "..." - "Vergessen Sie´s. Einfach keine Geburtsdaten nehmen okay?"), ein Muster tippen oder die Zahlen gleichmäßig auf alle Zehnerreihen verteilen ("Wieso?" - "Weil das alle machen, und wenn diese Zahlen dann gewinnen, gibt es weniger für Sie." - "Aber wenn diese Zahlen dann gewinnen und ich hab Sie nicht getippt, gibt es doch gar nichts für mich." - "Einfach nicht machen, okay?"). Schließlich entschied ich mich dafür, den Computer meinen Schein ausfüllen zu lassen ("QuickTip"), auch wenn der Lottomann, dem ich mich mittlerweile durchaus in einem Schüler-Mentoren-Verhältnis verbunden fühlte, darauf eher missbilligend reagierte. (Ich traute mich nicht zur fragen, warum.)

Als der Lottomann mir den computergenerierten Schein aushändigte, blickte er mir ernst in die Augen und fragte: "Sie wollen doch nicht mit Karte zahlen oder? Weil das geht hier nicht." Wollte ich nicht. "Weil gerade letzten Samstag, vielleicht haben Sie´s ja gehört, da wollte in [Nachbarort] einer einen Schein kaufen, hatte kein Bargeld und der Schein wurde storniert. Später kam dann raus, dass seine Zahlen die Gewinnzahlen waren. Nicht ganz alle, aber 90.000 Euro hätte er gewonnen." Er beugte sich vor. "90.000, man stell sich´s nur vor. Schlimme Sache, das." Mit einem Kloß im Hals verließ ich die Annahmestelle und klammerte meinen Schein fest an mich.
 
Terror Alert Level