15 Jahre hatte ich auf den neuen Superman-Film gewartet. So lange nämlich war er im Vorproduktions-Limbo verschollen, nachdem man Anfang der 90er Jahre einen neuen, fünften Film dieses Franchises angesagt hatte. Es folgten jahrelange Gängeleien und Missmutigkeiten, kreative und finanzielle Differenzen, eine ellenlange Liste immer wieder verworfener Hauptdarsteller und diverse Drehbuch-Versuche (unter anderem hatte sogar
Kevin Smith sich an einem vesucht!). Und nun, endlich, war es also soweit.
Und dann passiert sowas.
Was wir in 145 (!) Minuten geboten bekommen, sind: Ein Superman-Darsteller mit genau zwei Gesichtsausdrücken, eine völlig fehlbesetzte Lois Lane, der man nicht für zwei Sekunden die toughe Reporterin abnimmt, einen Muppet-artigen Suppenkasper als Lex Luthor, einen völlig beknackten Plan zur Erringung der Weltherrschaft und – das ist der Abschuss – Supermans Sohn. Sowie eine Geschichte, die man mühelos in einem einfachen Subjekt-Prädikat-Objekt-Satz zusammenfassen könnte.
Der Lex Luthor der Comics ist ein gefährlicher Mann. Seine Waffen sind die Intrige, das perfide Ränkespiel und sein völlig amoralischer, brillanter Verstand. Der Lex Luthor im Film ist ein zwangsneurotischer Schwachkopf, ausgestattet mit der Konfliktfähigkeit eines Zäpfchens, der zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise bedrohlich wirken kann.
Das ist umso ärgerlicher, da Singer, der Regisseur, bereits zuvor bewiesen hat, dass er nicht in die beliebte Falle tappt, Comicverfilmungen als anarchischen Slapstick zu inszenieren, weil es „ja nur Comics sind“. Seine beiden X-Men Filme zeigen, dass der Mann die Vorlagen kennt, respektiert, und bereit ist, sich auf deren Vielschichtigkeit einzulassen. In „Superman“ aber verbrät Singer leider sein ganzes allegorisches Verständnis in einem Trommelfeuer von Jesus-Anspielungen. Das ist nur leider nicht mehr ganz neu, denn die messianische Ebene dieser Figur ist nicht nur relativ augenfällig, sondern wurde auch schon 1939 von ihren Erfindern explizit benannt und seitdem immer und immer wieder betont. Das hindert Singer leider nicht daran, seine Figuren immer wieder Dinge sagen zu lassen wie „Ich sandte meinen einzigen Sohn“, oder „Der Vater wird Sohn, der Sohn Vater“; des weiteren sehen wir Superman alle 10 Minuten in Kreuzigungspose, was nach über zwei Stunden natürlich etwas eintönig wird. Und für alle, die es dann immer noch nicht geschnallt haben, darf Superman am Ende sterben und von den Toten auferstehen. Also quasi so wie E.T.
Dabei steckt so viel mehr in dieser Figur. Scheinbar einfach angelegt, transportiert sie so viele Bedeutungs- und Inhaltsebenen, dass sie als moderne Mythologie Dekaden überlebte und noch überleben wird. Sowas passiert fiktiven Figuren nicht einfach so.
Bei soviel allegorischer Power kann man dann schon mal den Plot aus den Augen verlieren, was vermutlich die zahlreichen Logik-(Schlag-)-Löcher erklärt, die sich von Anfang an durch den Film ziehen und selbst sechsjährigen Zuschauern unweigerlich auffallen müssen. Einsames Highlight ist hierbei die Aktion am Ende, wenn Superman einen ganzen Kryptonit-Kontinent (!) in den Weltraum schleudert – wenngleich ihn keine fünf Minuten zuvor die bloße Berührung mit Kryptonit, einem für ihn giftigen Erz seines Heimatplaneten, so sehr geschwächt hatte, dass er nicht mehr geradeaus laufen konnte.
Dass man den Surrealismus einer Comicvorlage in einem Film einfangen kann, ohne die Ernsthaftigkeit oder die Spannung zu opfern, hat unlängst Christopher Nolan mit „Batman Begins“ bewiesen. Es wäre schon irgendwie fair gewesen, hätte man dem absoluten Vater aller Superhelden eine ähnliche Behandlung zukommen lassen.
4 comments:
Sehr geile Kritik!
Animiert mich dazu, mich mal mehr mit der Superheldenmythologie auseinanderzusetzen!
Gut gebrüllt, Löwe!
jo das wäre definitively great. Wohne ja jetzt näher an Gießen. Wußte gar nicht, dass du so ein großer Superman-Fan bist? Wie kommt man eigentlich dazu solch langen Rezensionen zu schreiben? Woher kannst du das?
lg
jimmy
Genau. Wollte ich Dir auch noch mitteilen. Du solltest weiterhin Rezensionen schreiben. Gefällt mir.
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