4/05/2010

Niemand ist eine Insel

Die Serie „24“, die mittlerweile in der achte Season läuft, und die ich immer noch gerne sehe, zeigte bereits in der dritten Staffel Abnutzungserscheinungen, eine gewisse Redundanz, die ahnen ließ, dass der Faktor des Genialen sich langsam verflüchtigte. Und so kam es ja dann auch. Für mich war das, so dachte ich, die letzte Serie, die ich mit wirklicher Hingabe verfolgt hatte. Zum einen, weil ich nicht wusste, was danach noch wirklich neues kommen sollte, zum anderen, weil ich langsam aber sicher in einen Lebensabschnitt geschliddert war, in dem die kultische Rezeption einer Fernsehserie, als fester Lebensprogrammpunkt samt Forenbelagerung, stundenlangen Diskussionen und Voicemails an Fanpodcasts ein zeitlicher Luxus war, den man angesichts seiner inhärenten Zweckfreiheit nur schwer vor sich selbst rechtfertigen konnte.

Aber dann kam LOST, die Serie mit der Insel. Eigentlich kam Lost schon zwei Jahre früher, aber ich stieß, DVD sei Dank, erst zeitverzögert hinzu, so zum Ende der zweiten Season. Mittlerweile läuft die sechste und letzte.

Über die Serie selbst brauche ich hier glaube ich nichts zu schreiben, denn ein zwangloses Dazustoßen ist mittlerweile eh vollkommen unmöglich. Wer nicht von Anfang an dabei war, ist angesichts der unfassbar vertrackten Storyline chancenlos. Was mit einigen Flugschiffbrüchigen auf einer Südseeinsel mit Eisbären begann, ist mittlerweile ein Epic voller Geheimnisse, dessen Erzählstruktur sich strahlenförmig in Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und sogar alternative Realitäten ausbreitet. Eine Geschichte, die im Grunde der Versuch ist, auf einer Metaebene dem Prinzip „Geheimnis“ selbst Gestalt zu verleihen. Ein bis dato nicht da gewesenes, kongenial durchplantes, literarisches multimediales Experiment.

Aber jetzt schreibe ich ja doch über die Serie. Und hab schon wieder Schaum vorm Mund. OK genug jetzt.

Im Moment läuft also die letzte Season. Noch 7 Folgen sind übrig. Ich konnte nicht anders und hab sie in dieses iTunes Abo gleich nach US-Ausstrahlung geholt. Noch sieben Folgen. Ich werde nervös. Versuche meinen Redebedarf sinnvoll zu kanalisieren. Denn trotz des Versprechens eines der Produzenten während der Sommerpause, geäußert in einem Interview auf der San Diego Comic Con, dass man „nun keine Fragen mehr aufwerfen“ würde und stattdessen „die finalen Antworten liefern“ würde, gibt es bis jetzt nur – neue Fragen. Immer wenn man eine Ahnung entwickelt, wenn man plötzlich das Gefühl hat, die Puzzleteile fügen sich zusammen, geschieht etwas, das alles wieder ad absudrum führt. Die Foren laufen heiß. Die beiden Lost-Fan-Podcasts, die ich im Abo habe, haben ihre durchschnittliche wöchentliche Laufzeit verdoppelt. Der wahrscheinlich gesündere Otto-Normal-Zuschauer ist längst genervt ausgestiegen. Ich denke in den unmöglichsten realweltlichen Situationen über die Geschehnisse in einer TV Serie nach – also wirklich in allen Situationen. Besorgte Fragen, ob dieses Verhalten der Grenzüberschreitung ins Pathologische nicht bedenklich nahe kommt, werden nervös lachend beiseite gewischt.

Werden sie wirklich alle Rätsel auflösen? Haben sie wirklich einen Plan? Wie wollen sie in sieben Folgen diesen unfassbaren, multilinearen Rattenkönig von Erzählsträngen vorwärts und rückwärst durch die Multiple-Welten-Theorie und alle Weltreligionen noch auflösen? Und was ist eigentlich mit den Eisbären?

Es ist nur eine Fernsehserie. Es ist nur eine Fernsehserie. Es ist nur eine....

PS: Zumindest eine Erkenntnis: Scheiß auf Lebensabschnitte. Ich werde immer ein Fanboy sein. Andere töpfern.

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