8/17/2005

Blankets

Wer oder was ist „Blankets“?
Ein Comic, den ich gerade auf Empfehlung zweier Freunde hin gelesen habe und der mich einfach umgehauen hat. Wobei „Comic“ es nicht trifft, es ist viel mehr – und so nennt der Autor/Zeichner Craig Thompson es auch – ein „illustrierter Roman“.
Ein was?
Ein illustrierter Roman. Stellt euch einfach einen „normalen“ Roman vor und ersetzt einen Großteil des Textes durch Bilder. Dann habt ihr eine grobe Vorstellung, was Thompson da formal und inhaltlich produziert hat.
Um was geht´s da eigentlich?
Vordergründig ist die stark autobiographisch gefärbte Geschichte eine Nacherzählung der ersten großen Liebe des Autors. Eigentlich ist es aber eine Geschichte über das Erwachsenwerden, den Abschied von der Kindheit, das Leben als Prozess und über die alte Frage, was die Existenz eines Menschen eigentlich ausmacht. Auf einer dritten Ebene schließlich ist es ein Roman, der Erinnerung selbst thematisiert – Was ist Erinnerung, wo liegt die Grenze zwischen „vergangen“ und „gegenwärtig“ und inwiefern macht sie uns als Mensch und als Individuum zu dem was wir sind?
OK, ich meinte jetzt aber einfach nur den Inhalt?
OK, der Inhalt: Es ist die Zeit, in der Nirvana und Alice In Chains noch vollzählig am Leben sind. Craig wächst in einem amerikanischen, streng fundamentalistischen Elternhaus auf. Er ist ein Außenseiter, den nur zwei Dinge am Leben halten: Der Glaube an den Himmel, in dem er ein lebenswertes Dasein zu finden hofft, und das Zeichnen. Dann aber lernt er in einem Feriencamp Raina kennen, in die er sich verliebt, und die er schon sehr bald für 14 Tage besuchen fährt. Nach diesen zwei Wochen wird nichts mehr so sein wie zuvor, denn in der nicht unproblematischen Beziehung zur Raina und deren Ende legt er die Ketten ab, die ihn banden. Craig ist erwachsen geworden, und obwohl diese Entwicklung viele Kehrseiten hatte – Einsamkeit, Glaubensverlust und die Erkenntnis über die Endlichkeit aller Dinge – hat er zu sich selbst gefunden.
Und warum sollte mir das gefallen?
Weil du dich darin wiedererkennen wirst. Mir ist rätselhaft, wie Thompson das gemacht hat, aber in seinen – im übrigen wunderschönen und symbolisch fast schon überladenen – Bildern, in den Texten, Dialogen und Situationen, die er schafft, spiegelt man sich wider. So öffnet sich ein Tor in die eigene Vergangenheit und man geht mit Craig auf diese Reise zu den Wurzeln des Menschen, der man heute ist. Alleine die Schilderung von Craigs erster Liebe, die ein Aha-Erlebnis nach dem anderen auslöst, und die den größten Teil des Buches einnimmt, besteht aus einer Aneinandereihung von Situationen, die nicht nur jeder schon einmal so erlebt hat, sondern die auch jeden entscheidend geprägt haben. Nicht selten wird die erzählte Geschichte hier zu einer absoluten Form der Poesie, weil durch die Fusion von Text, Bild, und eigenem Input – und nicht zuletzt durch die Einbeziehung aller, auch der intimsten, Details - ein Verständnis für die Figuren und eine Betroffenheit ausgelöst wird, als würde man tatsächlich Craig (oder Raina) werden. Um es kurz zu machen, wenn man dieses Buch fertig gelesen hat, kann man es zwar wieder weglegen, aber es lässt einen definitiv nicht mehr los – und vielleicht hat man etwas neues über sich gelernt.
Tja und jetzt?
Es ist mir echt ein Anliegen, dass jeder, der grade nichts besseres zu tun hat, dieser „graphic novel“ eine Chance gibt und aus erster Hand erlebt, wie dieser Comic die bisher gedachten Grenzen literarischer Erfahrung sprengt. Besorgt ihn euch, im Comicladen, oder auch ganz unkompliziert bei Amazon. Er ist ein bisschen teurer, aber jeden Cent wert (und zählt immerhin 600 Seiten).

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8/11/2005

Und dann drehte er durch

Medienprofi Eddie Stoiber hat sich mal wieder einen geleistet. O-Ton: "Ich akzeptiere nicht, dass erneut der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird. Es darf nicht sein, dass die Frustrierten über das Schicksal Deutschlands bestimmen." Das alleine ist ja eigentlich schon lustig genug. Lustig und verblüffend, weil es eigentlich nicht nachvollziehbar ist, wie jemand mitten im Wahlkampf ein dermaßen undurchdachtes und - nennen wir´s beim Namen - rumpeldummes Statement in die Welt schleudern kann. Der Osten Deutschlands hat schließlich entscheidende Auswirkungen auf das Ergebnis jeder großen Wahl - sowohl durch die dort lebenden Menschen als auch durch gelegentlich auftretende Hochwasser.

Aber damit nicht genug. Während CSU- Generalsekretär Markus Söder noch panisch den Karren aus dem Dreck zu ziehen versucht und die These aufstellt, Stoiber habe die Spitzenkandidaten der Linkspartei, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, mit den "Frustrierten" gemeint, und nicht die Menschen im Osten, setzt Stoiber noch einen drauf: Der nämlich sagte nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks auf einer Wahlkampfveranstaltung in Schwandorf wenig später, er wolle nicht, dass die Wahl noch einmal im Osten entschieden werde. Wenn es überall so wäre wie in Bayern, so der Ministerpräsident, dann gäbe es keine Probleme. "Wir haben leider nicht überall so kluge Bevölkerungsteile wie in Bayern", so Stoiber.

Und während Angela sich noch ungläubig die Tränensäcke blutig reibt, verliert die CDU mal eben auch noch ihren allerletzten Wähler jenseits der gedachten Mauer.

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